MITGLIEDER STELLEN SICH VOR!

Mario Andreotti

 

geb. 1947, Prof. Dr., Studium der Germanistik und Geschichte in Zürich; zahlreiche fachwissenschaftliche Beiträge in Büchern und Zeitschriften vor allem zur literarischen Moderne; lebt heute als Lehrbeauftragter für Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität St. Gallen, als Gastdozent für neuere deutsche Literatur und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg in Feldkirch sowie als nebenamtlicher Dozent für Literaturwissenschaft an der Fachhochschule für Angewandte Linguistik in Zürich. Daneben ist er Referent in der Weiterbildung für die Mittelschullehrkräfte des Kantons St. Gallen und Mitglied verschiedener Literaturkommissionen, u.a. der Kulturkommission der Internationalen Bodenseekonferenz und des Preisgerichtes für den Bodensee-Literaturpreis der Stadt Überlingen. Von seinen Publikationen sind die beiden folgenden, im Paul Haupt Verlag Bern, Stuttgart, Wien erschienenen Sachbücher zum Wesen moderner Dichtung am bekanntesten geworden:
-  Die Struktur der modernen Literatur. Neue Formen und Techniken des Schreibens:  Erzählprosa und Lyrik. Uni-Taschenbücher 1127.
Das Buch ist eben in fünfter, vollständig neu bearbeiteter und aktualisierter Auflage erschienen.
-  Traditionelles und modernes Drama. Uni-Taschenbücher 1909, 1996.
Mario Andreotti wurde 2016 mit der Rudolf-Descher-Feder ausgezeichnet.



 

Paul-Bernhard Berghorn
*1957, D, wuchs in einer Musikerfamilie auf. Der ausgebildete Musikalienhändler und dipl. Sozialpädagoge lebt in Zürich, wo er im Schweizerischen-Epilepsie-Zentrum tätig ist.
Seine fragile, nuancierte Lyrik drückt auf äusserst reduktive und doch sprachlich musikalische Weise sensible Beobachtungen, Atmosphären, Augenblicke seelisch-emotionaler Tiefen aus. In der Andeutung, im Augenblick – und dazu zählt Berghorn das Gedicht – ein Nicht-Ende zu erleben. Das Motiv des Augenblicks, hier sind seine musikalischen Wurzeln, der Vater war Komponist, unüberlesbar – kehrt bei Berghorn stets variantenreich wieder. Die Reduktion gepaart mit leiser Ironie bis hin zum sarkastischen Staccato zeigt sich auch in seinen Aphorismen, einer Literaturform, mit der sich der Autor zunehmend auseinandersetzt. In seinen Essays setzt er sich auf vielfältige Weise mit der Kunst auseinander. Sei es mit der Musik, der Malerei oder mit deren Wirkung. Das Grundsätzliche beschäftigt ihn essayistisch ebenso, wie er in dieser, als auch in satirischer Form Stellung zu Zeitfragen und Kritik am Zeitgeist formuliert. Darüber hinaus reflektiert er in schriftstellerisch lebendiger Form seine ausgedehnten Reisen. Abgerundet wird sein vielschichtig kreatives Wirken unter anderem dadurch, dass er sich auch dem Schreiben von Geschichten für Kinder widmet. Berghorn ist freier Mitarbeiter verschiedenster Kulturzeitschriften.  

 

 

 

Corso Garibaldi

  

Es war in Mailand.

 

Ich saß in einem Literatur-Café am Corso Garibaldi und las in verschiedenen Lyrik-Bändchen die dort auslagen. Es regnete und daher war das Café nur spärlich besetzt. Durch die großen Fenster schaute ich auf das Treiben des Corsos, welches bunt, lebendig aber nicht hektisch wirkte. Ja es strahlte eine gewisse Lässigkeit aus.-

 

Vor mir saß ein elegant gekleideter, älterer Herr, mit vollem weißen Haar. Er wirkte gleich einem würdigen doch modernen Grande. Seine Lippen umspielten ein Lächeln als ich mir den vierten Espresso bestellte und meinte, ob der Lyrikband, den ich gerade lesen würde, so einschläfernd sei, dass ich dafür doch einige Espressos benötigte.

 

Das weniger, antwortete ich, ich müsse aber wach bleiben, da ich heute noch einen Nachtflug via London nach Halifax hätte.

 

Aufgrund meines Akzentes stellte er richtig fest, dass ich nördlich der Alpen kam.

 

Deutschland oder Schweiz? Beides, antwortete ich. Er lehnte sich behaglich in den bequemen Fauteuil zurück und meinte etwas unvermittelt

 

Braucht es um Lyrik zu schreiben nicht auch Verstand, Umsicht, ja vielleicht sogar auch Vorsicht? Und ich bin sicher Sie schreiben Gedichte. „

 

Sherlock Holmes könnte von Ihnen lernen!“

 

Ein bescheidenes <grazie> wurde hörbar.

 

Aber Ihre Frage aufgreifend“, fuhr ich fort, „weiß ich nicht, ob Poesie Verstand benötigt - ich denke, dieser kann eher hinderlich als förderlich sein. Verstand ist etwas nachprüfbares, eher Analytisches, wenn Poesie mit Verstand arbeitet, dann müsste sie ja auch –und nun bin ich ketzerisch – auch verständlich sein!“

 

Der elegante Herr schmunzelte. „Verständlich nicht aber verstehbar, oder doch zumindest weitestgehend verstehbar. Ich denke an Edgar Allan Poe, an sein Essay über Die Philosophie der Komposition, in der er die Meinung vertritt, dass man Gedichte mit der Genauigkeit und starren Logik eines mathematischen Problems Schritt für Schritt schreiben kann. Und wie Sie wissen, beruft er sich dabei auf sein längeres Gedicht <Raben>.“

 

Ich kenne es, dieser sich wiederholende Refrain <Nimmermehr> am Ende einer jeden Strophe. Aber nehmen wir seine anderen Gedichte, z.B. An Helen - wo ist da der Verstand? Es ist ein wunderschönes, im wahrsten Sinne des Wortes poetisches Gedicht, kenntnisreich und sensibel! Leider kann ich nur die erste Strophe auswendig:

 

Ah, deine Schönheit ist für mich

Wie Nikes Barke, die aus fernem Land,

Des Meeres duften Atem teilend,

Den weg-müden Wanderer trug

Zum heimatlichen Strand.

 

Wo ist da der klassische Verstand?

 

Nein, ich glaube der Verstand hilft wenig im kreativen Prozess – Können ja, dies ist die Basis, aber Können allein befähigt noch lange nicht zum Schreiben von Poesie, sonst könnten es ja die Literaturkritiker und Germanistik-dozenten auch. Verstand hat auch immer was Rückwärtsgewandtes an sich. –Und wie gesagt: gibt es eine Verstandes-Poesie?“

 

Der Herr lachte hell auf „Verstand! Ein Begriff, den wir hier in Italien kaum kennen, daran merkt man, Sie leben in der Schweiz.“

 

Woran haben Sie das gemerkt?“, fragte ich ehrlich überrascht.

 

Sie sagten, Sie fliegen via London nach Halifax. Kein Deutscher würde das Wort via benutzen, selbst wenn er, wie Sie, recht gut italienisch spricht und obwohl Ihr Akzent der eines Deutschen ist. Dieses via benutzen die Schweizer.“

 

Wie gesagt, Signore, Sherlock Holmes würde Sie sofort als zweiten Doktor Watson in Beschlag nehmen.“

 

Grazie! Genug der Ehre! Aber Sie haben recht, mit dem was Poe in seiner Philosophie der Komposition schreibt, könnte man eher eine Fuge statt ein Gedicht komponieren.“

 

Unbemerkt hatte sich eine junge Frau zu uns an den Tisch gesetzt und hörte mit äußerst wachen Augen unserem Gespräch zu.

 

Verstand“, sagte sie plötzlich, „ist der Totengräber der Kreativität.“

 

Überrascht schauten wir zu ihr, und der ältere Herr, der sich als Signor Furtunati vorgestellt hatte, bat die junge Frau, dies doch bitte näher zu erläutern und schloss mit der fragenden Bemerkung, ob es wirklich so wäre, dass Verstand etwas mit Rückversicherung zu tun habe.

 

Der Verstand“, begann sie, „ist feige, insofern ist er das System der Rückversicherung, denn er geht den sicheren Weg, schreitet nur auf der großen, breiten Strasse der Risikolosigkeit, doch selten in den Himmeln der Erkenntnis, auch dazu ist er zu feige. Doch wer feige ist in diesem Sinne, kann nicht kreativ sein, da der Verstand ihm permanent sagt, wie dumm es ist kreativ zu sein, und wahrscheinlich damit nicht einmal Geld verdienen zu können. Feigheit in der Kunst ist Langeweile. Ein deutscher Kunstprofessor aus Düsseldorf, Rolf Sackenheim hieß er, hat den bedeutsamen Ausspruch getan <Kunst ist graben am Abgrund>. Ja, in der Kunst muss man wagen, alles wagen, das Unaussprechliche aussprechen – die Welt auseinandernehmen, zerstören um sie neu zu schaffen!“

 

Ihre Augen leuchteten.

 

Und diese Welt ist dann besser?“ fragte ich und schloss mit dem Zusatz, dass sie wohl eine Verehrerin des französischen Dichters Charles Baudelaire sei, der ja auch die Auffassung vertrat, dass an den Anfang des kreativen Prozesses die Zerstörung gesetzt werden müsste.

 

Sie lachte, ja, diesen Dichter würde sie sehr gern lesen und ja, ob es eine bessere Welt sei wisse sie nicht, aber es sei sicher eine andere.

 

Signor Furtunati, der nun ebenfalls beim vierten Espresso angekommen war, antwortete mit einem Zitat des Aphoristikers H.G.Lichtenberg

 

<Ich weiß nicht ob es besser wird. Aber es muss anders werden, wenn es gut werden soll.>

Genau, das ist es was ich meine!“, bemerkte die junge Frau die sich als Paola vorstellte.

 

So benötigt man also Mut, ja Wagemut zur Poesie und auch Umsicht und Vorsicht, Beides geleitet vom Verstand?“, fragte Signor Furtunati nicht ohne einen Anflug ironischer Provokation in seinen schalkhaften Augen.

 

Mitnichten!“, gleich einem Pfeil war die temperamentvolle Antwort Paolas.

 

Mitnichten“, wiederholte sie. „Umsichtig ist ein Kaufmann, und vorsichtig ist ein Banker.“

 

Sollte er sein!“, kommentierte Signor Furtunati lächelnd.

 

Wenn Kunst, Poesie umsichtig ist, dann ist sie Versicherung!“, rief Paola und ihre Gedanken feuerte sie nun gleich Pfeilen ab. „Poesie, Kunst muss in neue Gefilde vorstoßen, so wie die Seefahrer es im 15.Jahrhundert taten, die Angst überwindend, das Scheitern können wissend, aber das <dennoch> im Herzen, ohne dies sie ihr Ziel nie erreicht hätten. Nein, nicht Umsicht und Vorsicht, sondern Kenntnis der Worte, der Sprache, der Bedeutung, dass, ja! Und denken Sie an den Ausspruch Beethovens der sagte < Wahre Kunst ist eigensinnig, lässt sich nicht in schmeichelnde Formen zwängen.> Lyrik, Kunst ist nicht organisierbar! Wahrscheinlich darum sind kreative Menschen bisweilen chaotisch.“

 

Chaos gleich Kreativität?“ fragte ein Herr in Jeans und elegant klassischem Jackett, nicht ohne einen Unterton von Ironie. „Entschuldigen Sie, wenn ich mich einmische, aber hier in Italien haben wir zu viel Kreativität und darum wohl auch Chaos, und zu wenig Verstand, am Schlimmsten in der Politik.“

 

Sie müssen sich nicht entschuldigen, nur zu, die Vielfalt der Meinungen macht eine Sache erst interessant und erfolgreich“, sagte Signor Furtunati und deutete mit großer Geste auf den noch freien Sessel, „nehmen Sie Platz Signore.“ Zu mir gewandt fast erheiternd entschuldigend erklärend, meinte er „hier in Italien ist man, egal wovon man spricht, schnell bei der Politik, sozusagen unausweichlich – selbst wenn es um Poesie geht.“

 

Oh Poesie! Ein großes Thema, aber ist sie nicht ein wenig obsolet in unserer Zeit?“ antwortete der hinzugekommene Herr, der nun im Sessel Platz genommen hatte und sein Glas Fernet-Branca auf das kleine Glastischchen setzte und hinzufügte „Poesie – das ist ein weites Feld, dazu benötigt man wohl auch Verstand oder Naivität, oder beides. Wie heißt es so paradox bei Pasolini <Das Herz der Vernunft>.“

 

Wir diskutierten schon über den Verstand in der Poesie, ich denke es benötigt Intelligenz- oder ist es vernünftig Gedichte zu schreiben?“ fragte Paola provozierend und schaute in die Herrenrunde.

 

Es ist unvernünftig keine Gedichte zu schreiben“, entgegnete Signor Furtunati.

 

Nun, Kunst und Vernunft schließen sich aus“, bemerkte ich mehr für mich selbst sagend.

 

Es ist intelligent und gleichzeitig paradox Gedichte zu schreiben. Der Satz Pasolinis trifft es- wie er ja stets getroffen hat. – Wir hier in der freien und wohl auch –noch– sicheren Welt haben das Hören der Worte verlernt, - in Diktaturen, in Unrechtssystemen, die der Form, aber nicht dem Inhalt demokratisch sind, hat das einzelne Wort, vor allem das Wort, welches zur Kritik, zur Frage gewählt wird, eine gewichtigere Bedeutung. Da hat die Zeile eines Gedichtes, das darin verwendete Wort eine Ausstrahlung, ja ein Vers kann plötzlich gefährlich, lebensgefährlich werden. In dieser Hinsicht gewinnt die Vorsicht, die Umsicht mit den Worten eine sehr große Bedeutung. Wir kennen es doch, es gab in Europa sehr, sehr lange die Zensur, ob E.T.A. Hoffmann oder der eben von Ihnen zitierte Beethoven, sie alle hatten mit der Zensur zu kämpfen, und zur Zeit erleben wir eine moralische Zensur, die verschönt <political correctness> genannt wird, aber das nur am Rande vermerkt. ­ Und doch hat wohl die Poesie in ihrer ganzen Zerbrechlichkeit, Verletzlichkeit, in ihrer Stille, wohl eine immense Macht – denn warum wohl verfolgen bis an die Zähne bewaffnete Systeme ihre Dichter! Treibt sie aus dem Land, ins Exil?“

  

Es entstand eine Pause.

 

Durch die großen Fenster des Cafés warf die Dämmerung ihre ersten Schatten.

  

Sie haben recht Signore, die Sprache ist Instrument der Poesie und die Worte und Buchstaben sind die Saiten auf denen wir spielen – und wir müssen sehr klar und sauber spielen, damit diese Musik der Worte auch zum Klingen sich erhebt, zum poetischen Klang werden“, brach Paola das Schweigen.

 

Es hat jedoch sehr den Anschein, als sei unser Instrument recht verstimmt, auch verstaubt, geradezu altersschwach was den Klang dumpf und unsere Ohren taub macht“, sinnierte Signor Furtunati.

 

Weniger dumpf als eher laut, so laut, dass man nicht nur Ohren- sondern auch Bauchschmerzen bekommt, und am lautesten spricht, was sag ich, schreit man, in der Politik, und dass nicht nur in Italien, aber hier besonders und leider unmusikalisch dazu – nun, darum trinke ich ja auch meinen Magenbitter.“

 

Ein verständnisvolles Lächeln flog über die Gesichter der Runde.

 

Darum heißt Vorsicht in der Lyrik eher mit Bedacht die Worte wählen, behutsam, vorhersehend. In einer Diktatur, so demokratisch sie sich auch gibt, kann leider das Wort Freiheit nicht so einfach in einem kritischen Zusammenhang gesetzt werden, hier ist die Metapher gefragt“, schloss ich meinen Gedanken vorläufig ab.

 

Bravo Signore“, rief Paola „und genau darum müssen wir hier – in der noch! freien Welt – mit Mut, mit Risiko, Gedichte schreiben, damit dass Wort ein Pfeil wird, und dieser Pfeil muss zielsicher treffen, muss auch schmerzen, wenn notwendig!“

 

Also zielsichere Gedichte? Ist das in einem Liebesgedicht, einer Elegie möglich, Signore Paola?“, fragte der Fernet-Branca Herr.

 

Auch das, auch dort, warum nicht? Und der Liebespfeil ist vielleicht doch der Schönste!“

 

Und der tödlichste“, meinte er sarkastisch und bestellte ein weiteres Glas seines Magenbitters. 

 

Signora“, begann Herr Furtunati „die Macht der Poesie liegt in ihrer Stille, ihre Fragilität ist ihre Stärke, das scheinbar Paradoxe ihre Erkenntnis.“

 

Glauben Sie wirklich, dass stille Gedichte in der Lautheit wahrgenommen, geschweige denn gehört werden?“ fragte Paola zurück.

 

Sie werden aber gelesen und darauf, vielleicht nur darauf, kommt es an. Ihr Ort ist nicht der Marktplatz, die Börse, sondern wir selbst“, gab ich zu verstehen.

 

Die Signora hat nicht Unrecht, können Gedichte heute noch etwas bewirken? Und haben sie jemals etwas bewirkt?“ fragte jener Herr, dem von der Serviertochter ein neues Glas Fernet Branca gebracht wurde.

 

Mi scusi, Signore“, begann Furtunati, nun zum ersten Mal etwas weniger gelassen, „scusi, Sie fragen ob Gedichte etwas bewirken können? Eigentlich eine unsinnige Frage, scusi, denn sobald wir nach Wirkung fragen, fragen wir nach Absicht und eine Absicht schränkt uns ein, aber Kunst hat keine Absicht, sie hat nur ein kompromissloses künstlerisches Wollen. Faniente. Aber stellen Sie sich für einen Moment vor, die gesamte Poesie dieser Welt, seit Beginn der menschlichen Entwicklung wäre nicht geschrieben worden, die Musik gäbe es nicht und die Kunstwerke der Malerei wären nie geschaffen worden. Was meinen Sie Signor, wäre das wohl für eine Welt?!“

 

Wenn wir es nicht kennen, würden wir es nicht vermissen“ war seine Antwort.

 

Und doch ein faszinierender Gedanke“, entgegnete Paola, „das Unsagbare ist nur durch die Musik und durch die Poesie zu sagen, mit dem Verstand ist es nicht auszudrücken, der Verstand bleibt seltsamerweise in Dingen des Unsagbaren eigentümlich oberflächlich.“ Sie machte eine Pause und fuhr dann fort, “noch etwas, der Verstand kann nicht trösten. Die Vernunft erreicht uns nicht, wenn wir im Schmerz zweifeln, verzweifeln. Ich denke in diesem Zusammenhang, und ich glaube, man darf es auch auf die Poesie bedingt anwenden, an den Ausspruch des großen französischen Mathematikers und Dichters Blaise Pascal, der sagte <Ein Tropfen Liebe ist mehr Wert, als ein Ozean an Verstand>“.

 

Ein schöner, ein wahrer Satz, aber auch gilt der wahre Satz, ein gutes Gefühl ergibt noch kein gutes Gedicht,“ warf ich als Gegenargument ein.

 

Bravo! Signor, das gefällt mir, darauf würde ich fast mit einem vierten Glas Fernet-Branca anstoßen.“

  

Na, probt meine kleine Schwester wieder die Revolution?“ mit diesen Worten und einem Lächeln auf den Lippen war ein junger, lässig aber modisch gekleideter Mann zu uns in die Runde gekommen, zog schwungvoll einen Sessel vom Nachbartisch heran und setzte sich neben seine Schwester. 

 

Noch befindet sich die Revolution zunächst auf dem Gebiet der Poesie, haben also im Moment nichts zu befürchten, übrigens ich heiße Michele di Giacomantonio“ sagte der Fernet-Branca Konsument.

Sie ist Studentensprecherin hier an der Uni in Mailand – Paola kann so was, die Jean d`Arc Milanos.“

Mein großer Bruder Davide, er übertreibt, aber das ist wohl eine Charaktereigenschaft aller großen Brüder.“

Worum geht es denn hier, – wenn nicht um Revolution und Politik, worum dann?“, fragte Davide und bestellte einen Ristretto.

 „Um Poesie“, erklärte ich.

 „Dio!“, rief Davide aus.

 „Was heißt das denn, Bruderherz?“

 „Scusa, aber nebst der Revolution ist die Literatur deine Leidenschaft – aber als Ingenieur sehe ich beides mehr mit Humor, es ist eine angenehme, vielleicht auch anregende Freizeitbeschäftigung.“

So wie Du Davide, die Steine für den Bau einer Brücke benutzt“.

Zement, wir benutzen Zement, Schwesterchen“.

So benutzt die Poesie die einzelnen Worte um ebenfalls Brücken zu bauen, nicht sichtbare, speziell für Ingenieure nicht sichtbar, aber doch existierende. Und dies ist – vielleicht – mutiger und gefährlicher als mit sichtbaren Steinen, Zement oder was auch immer für ein Material, zu hantieren.“

Das Temperament der beiden Geschwister war ansteckend.

Das war jetzt ein guter, ein poetischer Vergleich, Signora Paola“, anerkennend hob di Giacomantonio sein Glas.

Ciao Paola, ciao Davide“ begrüßte eine dunkle Frauenstimme die Geschwister. „hier in großer Diskussion?“

Ciao Graziella, ja in Diskussion, Du kennst uns ja. Es geht um die Frage, ob es für die Poesie Umsicht, Vorsicht, ja sogar Verstand braucht“, erklärte Paola ihr.

Nun, wäre ich Ökonomin oder würde ich in einer Bank arbeiten, müsste ich sagen, es braucht vor allem erst einmal einen Vorstand“, gab Graziella zur Antwort.

Erheiterung war die spontane Reaktion in der Runde.

  

Wie weit seid ihr denn schon gekommen? Ich meine, habt ihr entschieden ob es jetzt Vorsicht und Umsicht benötigt“ wollte Graziella wissen.

Ich glaube es braucht Ehrlichkeit zu den Worten, zu dem Gehör, hören auf den Klang der Worte, ihre Wirkung. Poesie ist auch Sprach-Musik“, meinte Paola, diesmal jedoch eher gedankenverloren als anwesend.

Der Ausdruck Sprach-Musik bringt mich auf einen Gedanken“, begann ich „für mich ist die Lyrik, sind Gedichte, die Kammermusik der Literatur.“

Bravo! Eine wunderschöne Metapher!“, rief Graziella.

Ja, Kammermusik“, meinte Signor Furtunati, „das hat etwas, das macht die anderen Begriffe fast, aber nur fasst überflüssig. Kammermusik komprimiert, so wie ein Gedicht verdichtet. Kammermusik ist polyphon, kontrapunktisch mit homophonen Phrasen, gleich dem Refrain im Gedicht, dissonant in der Harmonie, dadurch kontrastreich akzentuierend und – bei der Kammermusik muss sehr konzentriert zu - und hingehört werden, um der Stimmführung zu folgen, ebenso beim Gedicht, wo jedes Wort Bedeutung hat, oder haben sollte, so wie jede Note, jede Pause, jede Artikulation Bedeutung und Sinn haben muss.“

WOW,“ machte Graziella, „das haben Sie wunderbar formuliert, ja geradezu in Poesie beschrieben. Kompliment!“

Die Runde applaudierte. Selbst das stets ironische Lächeln des Herrn di Giacomantonio war bei diesen Worten in stillem Ernst gewandelt und meinte „Mein Herr, es erweckt den Eindruck, dass Sie viel von Musik verstehen. Spielen Sie selbst Kammermusik?“

Bingo“ war die Antwort mit einem erneuten schalkhaften Ausdruck in seinen Augen.

Und wie ist es nun mit der Poesie, braucht es nun die Vorsicht, die Umsicht, wovon Ihr gesprochen habt?“, fragte Graziella.

In der Musik nennt man das Rückführung des Themas“, bemerkte Furtunati.

Nun“ hob ich an, „Lessing hat es in seinem <Nathan> gesagt, wenn auch nicht in Bezug auf die Dichtung, ich denke aber, wir können diese weisen Sätze durchaus auf die Poesie übertragen.“

Und wie lauten diese weisen Gedanken?“ fragte Signor di Giacomantonio.

Sie lauten: Da müssen Herz und Kopf sich lange zanken / Bei welchem bald der Kopf das Herz / Und bald das Herz den Kopf muss spielen / Ein schlimmer Tausch.

Vortrefflich!“ entfuhr es Paolo begeistert, „Lichtenberg, Lessing, auch zwei dieser gedankentiefen Deutschen.“

Sind sie hier bekannt?“, gab ich mit nicht minderer Verblüffung zurück.

Oh ja! Deutsche Literatur ist in Italien viel bekannter als umgekehrt, von Umberto Eco einmal abgesehen“, erklärte Paola.

Diese Sätze von Lessing treffen wohl mehr auf die Liebe zu“, sinnierte Graziella und ihre dunkle Stimme klang nun noch weicher, geheimnisvoller.

Oh, die Liebe – ein noch weiteres Feld“, wehrte Signor Furtunati ab und hob beide Hände empor.

Eher ein Ozean in dem man ertrinken kann“ meinte Signor di Giacomantonio sich in seinen Sessel zurücklehnend, gleich so, als wolle er die Liebe beobachten, sich aber niemals auf diesen Ozean begeben. –

Darum, lieber Giacomantonio, kehren wir lieber zur Poesie zurück, die aber auch ein Ozean ist.“ Signor Furtunati nippte an dem nun schon kalt gewordenen Espresso und fuhr fort, „unsere Diskussion zeigt doch, wie aktuell das Gedicht ist, die Poesie ist – sonst würden wir uns doch nicht darüber die Köpfe heiß reden – und ich bin sicher, sie wird nie untergehen, nie in Vergessenheit geraten. Sie wird mal mehr, mal weniger im Bewusstsein der Menschen präsent sein, aber, sie wird immer existieren und wohl erst dann endgültig sterben, wenn auch dieser Planet sterben sollte. Was uns ja die Wissenschaftler“, dabei schaute er leicht süffisant auf Davide, „sogar mathematisch vorrechnen, also in knapp fünf Milliarden Jahren ist es soweit – nun, da haben wir noch Zeit, um über Poesie zu sprechen, sie bleibt existent!“

Wie das Geld und die Steuer!“, meinte Signor di Giacodimantonio.

Das ist noch die Frage, was älter ist: das Geld oder die Poesie? Und das frage ich, sogar als Ingenieur“.

Ob Geld, ob Poesie zuerst – feststeht, nichts, keine Ideologie, Diktatur, Gewalt oder Virtualität hat und kann die fragilste Ausdrucksform der Sprache, das Gedicht, zerstören“, erklärte Paola mit einem, schon fast triumphalen Ton in ihrer Stimme.

  

Es entstand eine erneute Pause.

Der Abend hatte sich über die Stadt gelegt und der Corso wurde nun von den Reklamebeleuchtungen, Straßenlaternen und den Geschäften bestrahlt. Auch dies hatte Poesie.

Ich schaute auf die große Uhr, die im Café hing.

Ommiodio!“ entfuhr es mir, „es ist ja schon spät, ich muss zum Flughafen.“

Sie fliegen nach Halifax, sagten Sie, richtig?“ fragte Signor Furtunati.

Ja, und von Halifax aus fahre ich auf die Halbinsel Cape Breton.“

Das klingt einsam“.

Oh ja, das ist es!“

Und was machen Sie dort?“

Sie werden es nicht glauben – Gedichte schreiben“.

 

Die Überraschung auf den Gesichtern meiner Mitdiskutanten war nicht zu übersehen und mit einem sanften Raunen vermischt.

Ich nahm meine kleine Reisetasche, warf ein <buona serata> in die Runde und eilte zum Ausgang, wo mir dann noch – quasi im Chor – <buon viaggio e buona fortuna> nachrufend gewünscht wurde.

 

 

 

* * *

 

 Im Jahre 2014 war er Präsident der PRO-LYRICA, Schweizerische Lyrische Gesellschaft, Schaffhausen.
Lyrik  (Auswahl)
Scherzo – Gedichte über Komponisten, Visualisierung Ursula Berghorn, Malerin,

Verlag artepura-puraarte, Zürich 2014

Licht getragen von Säulen – Gedichte über die Vila San Michele auf Capri, Italien
Photos von Jaciara Ferreira Salvador/Brasilien

Verlag artepuara-puraarte, Zürich 2013

Das wohltemperierte Wort – Aphorismen, Lyrik,
Visualisierung Ursula Berghorn, Malerin

Verlag artepura-puraarte, Zürich, 2013

Der Tod ist ein Don Juan – Gedichte und Aphorismen

Verlag artepura-puraarte, Zürich 2011

Stich-Worte- Aphorismen 

Verlag artepuara-puraarte, Zürich, 2010

Wo der Wind verweilt – Gedichte über Brasilien,
Illustriert mit Aquarellen und Zeichnungen von Jaciara Ferreira, Brasilien
Verlag artepura-puraarte, Zürich 2000

Stimmen der Stille – Gedichte

Edition L, Lossburg 1991
Siehst du den Abend noch? Gedichte
Bläschke Verlag 1983
Prosa (Auswahl)
Anfänge der modernen Lyrik in «In Allem›, Essays und Gedichte, 25 Jahre Pro Lyrica», 
Schaffhausen 2013

Das Lächeln der Eva oder warum Adam in den Apfel biss, Glossen, Satiren, 

Verlag artepura-puraarte, Zürich 2007

Fragmentarische Gedanken zur Kunst, Essay 

Frieling Verlag Berlin 2004

Farb-Polyphonie, Einführung in das Bildnerische Werk von Ursula Berghorn, Schwester des Autors 

Verlag artepura-puraarte, Limitierter Druck, Zürich 2001

Was ist Improvisation, Essay 

Verlag artepura-puraarte, Zürich 1998

Über das Schweigen, Essay-Sammlung 

Verlag artepura-puraarte, Zürich 1998
Kritiken (Auswahl)
«... besonders erwähnenswert sind schließlich die Gedichte von Paul-Bernhard Berghorn. Denn in seinen Werken passen Form und Inhalt perfekt zusammen.» 
                Daniel Lay, Schaffhauser Nachrichten, 12/2010
«... Paul-Bernhard Berghorn überzeugt mit seiner Rhetorik, gekonnter Reduktion und Gedankenreichtum. In der Kürze liegt oft die Macht des Tiefsinns.» 
                Jurga Ruesch, Schaffhauser Bock, 7/2011
«... Dieser Aphoristiker, dieser Poet, hat einiges zu sagen, was aus seiner Warte betrachtet, anders aussieht als bei anderen Beobachtern. Seine Darlegungen sind inter-polykulturell, mehr universell als viele andere Weisheiten, die oft auf kleinkarierter Küchendecke zustande kommen.»
                Sybille Forster-Rentmeister, Echoworld Communication, Toronto, 10/2007
«... Die Lyrik von Paul-Bernhard Berghorn ist realitätsdicht in ihrem Anspruch, virtuos in der Ausdrucksfähigkeit.»
 Hans W. Zink, der Literat, Frankfurt/M, 3/1992
Internet
www.artepura-puraarte.com
www.echoworld.com

www.prolyrica.ch
Facebook Paul-Bernhard Berghorn
Mitgliedschaften

<Pro Lyrica> Schweizerische Lyrische Gesellschaft, Winterthur 
<Ai Miracoli> Musica, Centro Culturale, , Venecia, Italia;  
Künstlerkreis Porta, Zürich
Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren, Nürnberg- Wien
Schweizerischer Verein für die deutsche Sprache SVDS, Thalwil/ Zürich 
Museum Rietberg, Zürich, Museum für Kunst aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien
Lexika

Deutsches Schriftsteller Lexikon, Dietzenbach/D 2003
Kontakt  oxford1@bluemail.ch

 

 



Gerd Egelhof

www.gerd-egelhof.de 


 

Karl-Heinz Garnitz
geb. 03.05.42 in Bamberg, wächst in Bamberg auf und besucht dort die Grundschule und das Gymnasium. Während der Schulzeit beginnt das Spielen mit Worten und es entstehen erste Gedichte und Prosastücke. Einige von seinen frühen Gedichten sind u.a. in seinem Band „Lesebuch für Alpha-beten“ veröffentlicht (Passau 2009). Nach der Schulzeit folgen Aufenthalte in Garmisch-Partenkirchen und auf der Isle of Man im Hexenturm des Autors Gerald B. Gardner. Von 1964 bis 2003 ist Garnitz als Assembler- und Cobol-Programmierer sowie als IT-Organisator und Internetdesigner bei staatlichen und kommunalen Verwaltungen in München und Passau angestellt.
 
Ab 2003, nach dem Eintritt in den Ruhestand, findet Garnitz wieder genügend freie Zeit zum Schreiben. und arbeitet bis 2016 in Waldkirchen (Niederbayern). Im Januar 2016 zieht er aus Altersgründen mit seiner Frau nach Passau um. Garnitz hat sich seit frühester Jugendzeit nicht nur mit schöngeistiger Prosa und Lyrik auseinandergesetzt, sondern auch mit grenzwissenschaftlichen, okkulten und religiösen Themen. In seinem 2012 erschienenen Band Tatsachen, Irrtuemer, Wirrtuemer – Ausflug in normale und absurde Welten (Passau 2012) beschäftigt sich der Autor u.a. mit sogenannten „grenz- wertigen Typen“ und „dunklen Sachverhalten“ aus okkulten und religiösen Bereichen.
 
Im Jahr 2007 erscheint im Waldkirchner Eigenverlag sein Band Michael contra Mithras als ein magisch-religiöser Kultroman, welcher die Einweihungsriten und Lebensumstände der letzten Mithraten zu spätrömischer Zeit beschreibt. 2008 hat Garnitz den Stoff dieses Romans komplett überarbeitet, neu aufbereitet und unter dem Titel  DODICHEUS – Der Untergang der Mithrasreligion (Berlin 2009) ver- öffentlichen lassen. -
 
Der Roman ES BEGANN 1964 – Lebenslinien eines Computerfreaks erscheint 2011 in Berlin und ist ebenso als elektronische Resource vorhanden. Garnitz erzählt in diesem Band die Geschichte eines jungen Mannes, der nach dem Abitur nach München zu seinem Bruder Leo zieht und dort die Liebe seines Lebens und einen Job als Programmierer findet. Im Roman wird das EDV-Computerwissen aus der Frühzeit der Informatik leicht verständlich dargestellt und in eine Münchner Liebesgeschichte hineinverwoben.

 

 

 

HERBST

 

Laub, nicht nur auf Wegen,

Blätter rot – braun – gelb – grün,

auch schmutzig oder aschfahl und ...

Überraschend fegen Böen vorbei,

Machen Laubwerk vogelfrei

Blasen etliche Bäume kahl,

Lassen Blätter tanzen, fliegen

Bunt leuchtend in die Höh,

Bis sie dann fallen und liegen

Auf Wegen wo ich grad geh.

Schritte machen Geräusche,

Ein Rascheln, ein Raunen

Bringt mich zum Staunen.

S` ist, als sprächen die Blätter

Flüsternd und brabbelnd mir zu:

Dem Sterben und neuem Werden

 em bist unterworfen auch du.....

Heut bist Du Erdenwanderer,

Morgen wird`s sein ein Anderer!

 


*****   
Bisher erschienene Werke: Stand 30.10.2016
 Michael contra Mithras – Magisch-religiöser Kultroman, Eigenverlag, Waldkirchen, 2007
DODICHEUS – Der Untergang der Mithrasreligion. Berlin 2009
LESEBUCH für Alphabeten – Lyrik und Prosa. Passau 2009
ES BEGANN 1964 – Lebenslinien eines Computerfreaks. Berlin 2011
Für Gratulanten und Sympathisanten. Passau 2012
TATSACHEN – IRRTUEMER – WIRRTUEMER. Passau 2012
SAMMELSURIUM ZUM NACH-DENKEN. Passau 2013

 

 

Esoterisches Handbuch für Säuglinge des Lichts, 2018

unter dem Pseudonym Frater Khamose

ist ab sofort im Buchhandel erhältlich:

 


Helmut Glatz

Geboren 1939 in Eger. Studium der Pädagogik und Psychologie in Augsburg und München.   Rektor i.R. Gründer des Landsberger Autorenkreises. Spielleiter des Marionettentheaters „Am Schnürl“ in Kaufering.
  
Mitglied in folgenden Organisationen:
Eva-Mitterer-Gesellschaft, Wien.
Gesellschaft der Lyrikfreunde, Innsbruck (Repräsentant für Bayern).
Gründer des Landsberger Autorenkreises.
Katholischer Schriftstellerverband Österreichs, Wien.
IGDA Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren.
  
Werkverzeichnis (Auswahl):
1972 Die gestohlene Zahnlücke (Kinderbuch), auch als Taschenbuch und als Schallplatte.
1975 Kolja reitet auf dem Herbstwind (Kinderbuch), auch in Blindenschrift.
1998 Herr Keller verpuppt sich (phantastische Geschichten).
2003 Elfenschloss und Krakenstadt (phantast. Kinderbuch).
2004 Das Wirtshaus im Sachsenrieder Forst (Märchen für Kinder und Erwachsene).
2005 Sturm im Widiwondelland (phantast. Kinderbuch).
2007 Wanderer in Schattenwelten (phantast. Geschichten).
2007 Kennen Sie Nathalie Rülps (Nonsens und heitere Gedichte).  
2010 Der Gesichtsverkäufer, 58 Charaktere (Nonsensgeschichten).
2012 Radibutz im Hut oder von der Schwierigkeit, in 85 Kapiteln eine kleine Maus zu erziehen (Mäuse-Entwicklungsroman)
Furtună ĭn Ţara Widiwondelilor. Sturm im Widiwondelland in rumänischer Übersetzung. Übersetzer: Edmond Nawrotzky-Török.
2016 Professor Mistelmiefs gesammelte Ungereimtheiten (Heitere Gedichte).
2017  Mein Hut, mein Onkel und ich - Geschichten ohne Netz und doppelten Boden,
          Autumnus Verlag, Berlin
Kurzspiele und Schulspieltexte:
Clown? Schööön! Sieben Szenen aus dem Koffer. Impuls Verlag 2014.
Silotin das Wundermittel/ Die gestörte Schreibmaschine. Bärenreiter Spieltexte.
Der Heuschreck auf Quartiersuche. Unda Verlag Stubenberg.
Vorhang auf. Unda Verlag Stubenberg.
Dornröschen auf Wanderschaft. Unda Verlag Stubenberg.
Graf Knickerbocker und die Zauberoma. Unda Verlag Stubenberg.
Der Spiegelschwab in Landsberg, in: Vorhang auf, die Kinder kommen, Theaterstücke für Kinder. Net Verlag Hennef 2011.  
Das fliegende Schiff, in: Von Gespenstern bis zum Kasperl, Theaterstücke für Kinder. Net Verlag Hennef 2014.  
Hans im Glück und der Stein der Weisen, Atlanta Theaterverlag Stage Company razzopenuto Berlin 2014.
Zahlreiche Preise und Auszeichnungen.



Marina N. E. Hillen

20 Jahre alt, studiert in Leipzig.

Lyrikerin; Teilnahme am Jungautorenpreis 2017

Gedichte erschienen in dem Sammelbändchen 'Weggabelungen' der IGdA.

 

 

 

ICH BIN EIN WOLF

 

 

 

Ich stehe im Regen der Wüste Zwischen meinen Schultern

                       Meine Füße werden von spannt sich die Macht

                       den roten Körnern umspült meiner selbst

                       Das Wasser ist warm Ich renne leise

                       Ich hebe die Arme durch die Wälder der Stadt

                       den Mond zu begrüßen Atme deine Freiheit

                       Das Licht ist Die Luft ist erfüllt vom Lärm

                       wunderschön eures Glücks

                       Ich weiß, ich kann mich Ich rieche den Duft

                       jeden Moment einfach eures Lebens

                       fallen lassen Die steinerne Seele des Schicksals

                       Denn schließlich bin ich Meine Lungen zerfallen

                       ein Mensch in goldene Funken

                       Ich fühle mich lebendig Das Leben ist es doch wert

                       Die Stille gibt mir oder du

                       mein Augenlicht zurück Der Wolf in meinem Herzen

                       Ich kann die Schönheit liebt das Lamm in meinem Kopf

                       der Endlichkeit Meine Schritte

                       erkennen werden immer

                       Ein bisschen viel leichter

                       für einen Tag Federnde Pfoten

                       Der Wolf in meinem Herzen auf grauem Asphalt

                       jagt das Lamm in meinem Kopf Alles ist gut.

                       Auf meinen Armen

                       bildet sich Fell

                       Ich weiß sicher

                       meine Augen sind gold

 

 

 

 

 

ERNST MEINER SEELE

 

Ernst meiner Seele,

                              wärst du nicht gern ein wenig heiter?

                              Sei nicht blind,

                              unstetes Zweifeln an Gut.

                              Zögere nicht, die brennende Faust

                              des Donners zu lieben.

                              Eisblaue Türme aus Feuer

                              ragen in den zarten Nebel aus Lüge.

                              Ernst meiner Seele,

                              wer will dich hören?

                              Würdest du vom Sommer sprechen,

                              fielen doch die faulen Blätter zu Boden.

                              Und ehe man träumt,

                              schon alle

                              erfroren.

                              Ernst meiner Seele, sei für dich

                              ein wenig heiter.

                              Schweigen ist blind.

 

 

ZEITLOS

 

Das Ticken der Uhr an der Wand,

                        das Ticken der Uhr meiner Gedanken.

                        Eingehüllt in blasse Wolken,

                        ausgehöhlte Stille,

                        jeden Reiz verloren.

                        Der Blick auf die Zeiger

                        als erneuter Beweis;

                        Licht fällt durch das Glas,

                        bricht vor meinen Augen

                        in farbige Strahlen.

                        Meine Hände greifen danach.

                        Das Ticken der Uhr an der Wand,

                        das Ticken der Uhr meiner Seele.

                        Stürmisch aufgepeitschte See,

                        Hand in Hand,

                        mein Lächeln flackert im Wind.

                        Die Arme als Flügel,

                        mein Herz schnappt nach Luft,

                        die Leere zu fühlen!

                        Angst, mich selbst

                        in der Menge zu verlieren.

                        Das Ticken der Uhr meiner Seele

                        setzt einen Schlag aus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Gabriele von Hippel-Schäfer studierte in Göttingen und Bonn und geht anschließend als Lektorin für deutsche Literatur nach Cambridge. Zwei wichtige Jahre blieb sie in England, eine Zeit, die sie ein Leben lang bereichert hat. Tätigkeit im Schuldienst.
Gesicht und die Geschicke der IGdA wurden von der Dicheterin wesentlich mitbestimmt, sie ist seit 1988 Mitglied und gehörte von 1990 bis 2000 dem Vorstand an.
Ausgezeichnet mit der Rudolf-Descher-Feder.

 

Aufbrechen der Schneckenhäuser
knirschend - und nackt, verletzlich das Fleisch
windet sich, möchte geborgen
daheim sein in eigenstem Winkel.

Schnecke, der Wind weht!
Wüstensand, Gletscherkälte
in seinem Atem. Nahe Nöte
aus allen Fernen der Welt.
Kein Versteck mehr als Heimat.
Heimat nie mehr Versteck.
Dein Haus muss die runde
Erde sein, deines und deins
und auch deines!

Aufbrechen der Schneckenhäuser
knirschend - noch mag es schmerzen.

Veröffentlichungen:
4 Eigenbändchen Lyrik (Stein und Stern, 1978; Lieber hinter dem Mond ..., 1984; Leih mir Atem, 1989; Aus dem Dachfenster gesehen, 1996), 2 mit Erzählungen (Die Braut ist glücklich, 1985; Ein Teppich mit Ranken, 1991).
Mitarbeit an Loseblattlexikon und zahlreichen Anthologien; viele Beiträge (Lyrik, erzählende Prosa, Essays, Rezensionen) für Zeitschriften und Zeitungen; auch im WDR




Peter J. Kempf

 

Es war kalt, doch schien die Sonne, an diesem 13. April, an dem meine Cousine zur 1. Hl. Kommunion ging. Ich kam etwas früh. Bereits um 07:00 Uhr wurde die Nabelschnur gekappt, so dass ich rechtzeitig geputzt zur Feier erscheinen konnte. Alice war nicht nachtragend.
Man musste keinen Stuhl beistellen. Alle konnten ihren Hunger stillen, ohne auf meinen Rücksicht zu nehmen, bei dieser Kommunionfeier am Weißen Sonntag 1947 im saarländischen Niederwürzbach. Nach der Volksschule erlernte ich bei den Saarbergwerken das Handwerk eines Elektro-Mechanikers. Dreieinhalb Jahre lang zog ich als Betriebselektriker in 450 Meter Tiefe vor Ort die Strippen.
Dann zog ich die Uniform an und wurde Polizist. Interessant, doch nicht einfach, der Staatsdienst. 1985 sah ich mich genötigt eine Erzählung zu schreiben. Na, ja… Die innerdienstlichen Auseinandersetzungen…
Es sind Jahre in den Wind gegangen. Frau, Tochter, Enkelin und Schwiegersohn bemerkten eines Tages, dass ich das Koppel an den Nagel gehängt und die 9mm auf der Waffenkammer abgegeben hatte. Eine Lesung eines Freundes, der damals noch nicht mein Freund war, brachte mich wieder zum Schreiben.

 

Geh' und komme, was da mag! - R.G. Fischer Verlag
Veröffentlichung von Lyrik in unterschiedlichsten Anthologien

 

Worte
Das Wort wurde in den Tag geschleudert
Gebar im Straßenstaub seinen Sinn
Bewegte sich im Schein des Lichts
Doch Schatten fiel nirgendwo hin
Menschenwort-trownehcsneM 

 

Das Leben
Zeit steht im Raum
          Bewegung ist der Traum
vom Blatt, das fällt.
          Es war einmal...
  

 

Der Weg nach Ultimo
Der Wind treibt die Zeit voran
Er säuselt bloß - kein Orkan
Lässig schlendert er durch den Raum
Leise klingt sein Lied- man vernimmt es kaum
Und die Zeit bewegt sich fort
Hie ein Ort und auch dort
Bleiben auf ihrem Weg zurück
Der immer länger, Stück für Stück

So begeben wir uns von Ort zu Ort
Von West nach Ost, von Süd nach Nord
Wir treiben mit den Winden
Hoffend, das Glück zu finden

Der Wind treibt die Zeit voran
Legt sich plötzlich, kaum dass er begann
Er trieb die Zeit kein großes Stück
Nicht viele Orte blieben am Weg zurück
Nicht weit führte uns des Windes Weg
Er ist zu Ende vor dem Steg
Der uns ins Jenseits führt
Hier wird kein Wind verspürt
Auf der Stelle steht die Zeit
Als Monument der Ewigkeit !

aus "adagio"

Regenmelodie
Fällt Regen mit kaltem Wind
Heulend und trommelnd, als
spiele ein Kind -
Und werden die Blätter zu
buntem Grau;
scheint auch der Himmel weniger

v.k.-k.



 
Heiko M. Kosow
 
 
wurde 1947 in Wettringen/Kreis Steinfurt geboren. Nach dem Studium der Sozial- und Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und einem Referendariat als Diplom-Sozialwissenschaftler trat ich in den Verwaltungsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen ein. Zuletzt war ich Regierungsvizepräsident in Arnsberg. Ich bin verheiratet und habe drei Töchter und vier Enkel. Heute lebe ich in Münster. Ich bin unter den Platzierten beim Dorstener Lyrikpreis 2013.
  
Im Sommer des Jahres 2011 habe ich angefangen einen Gedanken, ein Gefühl, ein Ereignis oder ein Erlebnis der vergangenen Woche zum Sonntag mit lyrischer Freiheit in ein Gedicht zu fassen. Daher der Titel „Meine Sonntagsgedichte“. Einige Gedichte scheinen eine sehr persönliche Note zu haben. Ich hoffe dennoch, dass sich viele Leserinnen und Leser mit ihren Gefühlen, Gedanken und Erlebnissen wiederfinden oder ähnliche Wünsche haben … .
  
Bibliographie:
 
Von seinen über 190 Gedichten sind bisher mehr als 160 in 24 Anthologien und Zeitschriften erschienen:
  
Auslese zum Jahreswechsel 2013/2014, Frieling-Verlag, Berlin;
Bibliothek Deutschsprachiger Gedichte, Ausgewählte Werke XVI (2013), Realis Verlags-GmbH, Gräfelfing;
Das Gedicht lebt – Ausgabe 2013 -, R.G. Fischer-Verlag, Frankfurt;
Der Frühling nähert sich – Erzählungen und Gedichte -, Durante Edition, Engelsdorfer Verlag, Leipzig;
Frühjahr im Schnee – Gedichte-, Peter Frank, Hans Sonntag, Manfred Burba, Heiko M. Kosow u.v.a., Durante Edition, Engelsdorfer Verlag, Leipzig;
frühlings stimmung(s) poesie Band 1 - Frühlings-Anthologie 2013 -, Novum Verlag Neckenmarkt;
frühlings stimmung(s) poesie - Frühlings-Anthologie 2014 -, Novum Verlag Neckenmarkt;
Gedicht und Gesellschaft 2014, Jahrbuch für das neue Gedicht, Brentano-Gesellschaft, Frankfurt;
Gedicht und Gesellschaft 2015, Jahrbuch für das neue Gedicht, Brentano-Gesellschaft, Frankfurt;
Gefundene Ruhe – Gedichte-, Ingrid Baumgart-Fütterer, Heiko M. Kosow, Manuela Angelika Rapino u.v.a., Durante Edition, Engelsdorfer Verlag, Leipzig; 2014
IGdA-aktuell, Organ der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren, 38. Jahrg. 2014 ,Heft 3
Ly-La-Lyrik (2013), Frieling-Verlag, Berlin;
Lyrik und Prosa unserer Zeit – Neue Folge – Band 16, Karin Fischer-Verlag, Aachen; 2013
Lyrische Kopfgeburten – Gedichts-Anthologie-, EPLA-Verlag, Ganderkesee;
nebel streif-zug der Literatur Band 1 - Herbst-Anthologie 2013 – Novum Verlag, Neckenmarkt;
Sommer im Norden – Gedichte-, Durante Edition, Engelsdorfer Verlag, Leipzig;
text cocktail mix Band 1 - Sommer-Anthologie 2013 - Novum Verlag, Neckenmarkt;
Träumende Tonspur - Lyrischer Lorbeer 2014 – Lorbeer-Verlag, Bielefeld; 2014
Weihnachtliches, EPLA-Verlag, Ganderkesee;
Welt der Poesie“ (2013), Frieling-Verlag, Berlin;
winter märchen haft Band 1 -Winteranthologie 2013 -, Novum Verlag, Neckenmarkt;
winter märchen haft - Winteranthologie 2014 -, Novum Verlag, Neckenmarkt; 2014
Wo die Liebe hinfällt – Anthologie-, EPLA-Verlag, Ganderkesee;
Worte reden – Worte schweigen, - Dostener Literaturpreis 2013 -, H.W.-Verlag, Dorsten.



Matthias Stark
1963 in Radeberg geboren, wohnt in Stolpen.
Er veröffentliche Lyrik und Prosa bisher in zahlreichen Anthologien, sowie als Autor und Herausgeber mehrere Bücher.
www.stark-stolpen.de
 

 


Andrzej Sznajder

  

1950 geboren, polnischer Germanist von Beruf; Universität Lodz absolviert.         Seit  Ende der 90er Jahre freier Journalist, und in den letzten Jahren ständiger Mitarbeiter u. a. der Lodzer Kulturschrift Kalejdoskop und der deutschsprachigen Literaturzeitschrift IGdA-aktuell. Artikel, Reportagen und Essays werden in polnischen, deutschen, ukrainischen und litauischen Zeitschriften veröffentlicht.

 

Bis jetzt erschienen vier Bücher von mir – Aus einem Bauerngeschlecht, Die Geheimnisse von Sieradz und Zdunska Wola, Karsznice, von der Kutsche bis zur Elektrolok und Die Geheimnisse von Lask und Pabianice.

Eben fertiggestellt: Auf den polnischen Spuren von Franz Theodor Csokor

 

Mitglied der Gemeinschaft Polnischer Journalisten und der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren (IGdA).

 


Sabine Vess

 

Ich liebe Peru seit meinem ersten Aufenthalt dort am mächtigen Ukayali in sumpfiger Hitze Tag und Nacht.
Im Denguefieber würge ich meine Mutter - sie ist tot, ist ja schon tot - höre mich lachen, entsetzlich lachen. Du stirbst erst beim zweiten Anfall, immun wirst du nicht.

 

Dann werde ich gebeten die Kreativität von Webern, Gold- und Silberschmieden und Töpfern der Anden zu schüren; in dünner Luft, brennenden Mittagen, kalten Nächten, Höhen überwindend, die mir Himmel und Erde blutdurchtränken.
Nicht einschlafen, höre ich, nicht einschlafen.
Wieder fahren wir von Lima nach Norden durch die endlose graue Wüste grenzend ans Meer. Hier und da Wegweiser nach Stätten von einst, Kreuze für Tote von jetzt wie manchmal ein Wort, eine Gebärde in der Stille zwischen uns. Die Städte entlang der Küste stinken nach Fisch.
Die Straße hoch in die Anden führt durch Tembladere (Zitterstadt), wo eine Malaria herrscht, die Menschen für immer zittern lässt.
Zwei Wochen später, wieder eintauchend in die graue Wüste bei Trujillo, herrscht schlagartig Nacht, ist die Wüste schwarz; ab und zu ein paar Lichter. Noch sechs Stunden. Wir singen, sprechen. Ab und zu schiebe ich dir ein Stück Schokolade in den Mund: nicht einschlafen. Du erzählst von den toten Frauen, die um Mitternacht ihre Gräber verlassen, die Panamericana überqueren, den Truckern die Köpfe verdrehen.

Gegen Mitternacht erreichen wir Lima
.


Ich bin 1940 in Berlin geboren, ging in Göttingen und Heidelberg zur Schule, lebe seit 1961 in den Niederlanden, zeichne, male, schreibe, habe Theater gemacht, habe Theater mit Strassenkindern in Lima gemacht, ziehe immer wieder weiter.
Ich zeichne, male, schreibe.
W: www.sabinevess.nl